Seefunkzeugnis 1. Klasse | Seefunkzeugnis 2.Klasse

Seefunkzeugnis 1.Klasse

Vom 15.3.71 bis zum 30.11.71 besuchte ich wiederum in Leer/Ostfriesland die Seefahrtschule für das Seefunkzeugnis 1. Klasse. Mittlerweile hatten sich im Gegensatz zur ersten Schulzeit  die „Prioritäten“ verschoben: Ich hatte eine Familie gegründet, das Fernweh hatte folglich stark nachgelassen, außerdem suchte die Deutsche Bundespost für Norddeich Radio dringend 1. Klasse-Funker aus der Seefahrt, weil die Beamtenlaufbahn für den Seefunkdienst eingestellt worden war. Folglich war die jetzige Schulzeit nur das Sprungbrett für einen „Landjob“. Aber diese Hürde musste erst einmal genommen werden.


 Die Seefahrtsschule Leer   (Frontaufnahme)

Das Prüfungstempo für das Hören und Geben betrug 110 Buchstaben pro Minute für den Code und für den Klartext 135, jeweils für die Dauer von 5 Minuten, selbstverständlich ohne Fehler. Soweit ich mich entsinne, waren wir der letzte Lehrgang in Leer mit diesen relativ hohen Prüfungsbedingungen, anschließend wurde das Tempo gesenkt und nach Einführung nur noch eines einzigen allgemeinen Seefunkzeugnisses ( General Certificate) im Jahr 1977 nochmals auf 80 und 100 Zeichen pro Minute. Ein Beschluss der nicht sehr praxisbezogen war, denn viele Seefunkdienste (Wetterberichte, Nautische Warnnachrichten und Presse) sendeten damals noch mit wesentlich höheren Geschwindigkeiten, die Norddeich-Presse wurde mit ca. 125 übermittelt. Viele „Newcomer“ dürften damals einige Schwierigkeiten bekommen haben. Der 1. Klasse-Lehrgang war eigentlich nur eine Vertiefung der im 2. Klasse-Lehrgang erworbenen Fähigkeiten. Wir hatten alle mindestens 3 Jahre Seefahrtzeit hinter uns, so war das Prüfungstempo kein wesentliches Problem. Nachteilig für mich war, dass ich kurz nach Seefahrtbeginn auf eine elektronische Taste umgestiegen war und mich jetzt erst wieder auf die „gute alte Junker-Handtaste“ umstellen musste.

Die jungen Damen und Herren im parallel laufenden 2. Klasse-Lehrgang guckten natürlich mit großen Augen bewundernd auf uns und freuten sich, wenn wir uns „herabließen“ als Nachhilfe mit ihnen „praktischen Seefunk-Verkehr“ zu üben.
Gerne ließen wir uns von ihnen auf ein Bier in unserer Stammkneipe „Kleine Möwe“ einladen, dafür gaben wir dann einige Storys aus der Funkerpraxis preis.
So rückte der Termin für die Prüfung schnell heran: Leiter der Prüfungskommission war diesmal ein Herr Oberpostrat Hass. Ich weiß noch, wie er die leicht angespannte Situation vor der Prüfung entschärfte, indem er sich humorvoll vorstellte: „Guten Morgen, meine Herren, mein Name ist Hass. Aber seien Sie versichert, dies ist nicht meine innere Einstellung Ihnen gegenüber !“
Die Klartext-Höraufnahme mit Tempo 135 wurde von uns allen mit Schreibmaschine mitgeschrieben, weil es in der Praxis kaum möglich ist, den Text für jeden gut lesbar in diesem Tempo mit der Hand mitzuschreiben.

Beim Geben kam ich doch noch in Schwierigkeiten: Mein Kollege Hans-Joachim Grützner, der direkt neben mir saß und ich hämmerten mindestens 2 Minuten lang im absolut gleichen Tempo und Rhythmus unseren Text herunter. Das störte uns beide unwahrscheinlich in der Konzentration und, ich weiß nicht wer es war, einer von uns gab freiwillig eine Irrung um diesen misslichen Zustand zu beenden.
Soweit ich mich entsinne, hatten alle bestanden. Es trennten sich endgültig unserer Wege, einige fingen bei Norddeich Radio an, einige fuhren wieder zur See, andere gingen in einen Landberuf oder studierten.
Noch am Prüfungstag rief mich der Personalchef von Norddeich Radio an und fragte an, ob ich nicht schon am nächsten Tag anfangen könnte, der Weihnachts-Verkehr hätte schon eingesetzt.

Diesem Wunsch habe ich nun doch nicht entsprochen und wir einigten uns auf den 6. Dezember 1971.

Die Seefahrtsschule Leer, aufgenommen von der Seite

Mehr dazu unter Norddeich Radio.


Die letzten drei Funklehrer der Seefahrtschule Leer. Das Foto wurde am 20. Juli 1984 anlässlich der offiziellen Verabschiedung von H. Grums  gemacht, es zeigt von rechts: Hanswerner Grums († 25.12.03), seine Gattin, Harm Hasbargen und Hans-Jürgen Wittfoht