Wieder auf See 2004

(Als Passagier auf einem Frachter in der Ostsee)

 

Nach Beendigung meiner Laufbahn als Funk-Offizier der Handelsmarine vor über 30 Jahren hatte ich zwar durch meine über 25 Jahre lange Tätigkeit im Funkbetriebsdienst bei Norddeich Radio den Kontakt zur Seefahrt nicht abreißen lassen, aber hatte seitdem nicht wieder ein seegehendes Schiff betreten. So lag es nahe, einmal den jährlichen Urlaub etwas anders zu planen.

Über die Vielzahl der  Internetangebote gelangte ich auf die Webseite eines bekannten deutschen Frachtschiff-Touristik-Vermittlers in Maasholm, der einen umfangreichen Katalog für weltweite Frachtschiffreisen anbot. ( www.zylmann.de )

Ich entschloss mich, erst einmal zum „Reinschnuppern“ eine einwöchige Reise in die Ostsee zu buchen. Das Schiff hieß „Westwind“, sollte unter Antigua-Flagge fahren (V2AM3) und von Hamburg über den Nord-Ostsee-Kanal nach Gdynia und Klaipeda, dem alten Memel, und zurück wieder über den NOK nach Bremerhaven und Hamburg gehen.

Das Schiff wurde von der Reederei Baase in Nübbel bereedert. Die Vorabinformationen des Frachtschiff-Touristik-Vermittlers waren hervorragend: So erhielt ich nicht nur einen verkleinerten Generalplan des Schiffes, sondern auch einen Plan des Hamburger Hafens mit markierten möglichen Liegeplätzen des Schiffes, sowie einen Grundriss meiner Schiffskabine, der Kammer des 2. Offiziers, die nicht belegt war. Die Kammer hatte 2 Kojen, separates Duschbad mit WC und hatte, was ich mit persönlicher Erleichterung feststellte, einen eingebauten Kühlschrank...

24 Stunden vor Einlaufen des Schiffes erhielt ich von der Vermittlungsagentur einen telefonischen Anruf  über die voraussichtliche Ankunftszeit des Schiffes.

Die „Westwind“, ein kleineres Containerschiff, war 20 Jahre alt, hatte 3.100 Ladetonnen, war 101 m lang und erreichte mit 2.400 PS eine Geschwindigkeit von 14 Knoten.


Nach 30 Jahren wieder an Bord.

Da ich eine Amateurfunk-Lizenz besitze, entstand der Gedanke, wie damals vor über 30 Jahren „mich als Funker von See“ zu melden, diesmal aber mit einem etwas anderen Rufzeichen, DL7DAN/MM („MM“ steht für Maritime Mobile). Als ich telefonisch dem Reeder diesen Wunsch mitteilte, erhielt ich sofort die Zusage, allerdings mit der Bitte keine Langdraht- oder Dipolantenne zu ziehen, sondern mich auf einen möglichst kurzen Vertikalstrahler zu beschränken.

24 Stunden vor Ankunft des Schiffes erhielt ich einen Anruf des Frachtschiff-Vermittlers mit dem ETA in Hamburg, aber mit der Bitte 1 Stunde vor Ankunft des Schiffes über das Handy-Netz den Kapitän direkt anzurufen, da immer erst im letzten Moment der Liegeplatz bekannt gegeben wird.

So machte ich mich auf den Weg in den Hamburger Hafen. Liegeplatz war „Eurogate – Burchardkai“ im alten Waltershofer Hafen. Eigentlich hatte ich mir vorgestellt, nach altem Seemansbrauch direkt mit dem Auto vor die Gangway des Schiffes zu fahren und dort die Koffer auszuladen. Das war einmal !!

Der Hamburger Hafen ist total abgeriegelt, vor einem kasernenhofartigen Tor mit Schlagbaum musste ich erst einmal aussteigen, Gepäck ausladen und auf der „Wache“ mich ausweisen. Dann durfte ich mit einem betriebseigenem „Shuttle Bus“ der Stevedoringfirma zum Schiff fahren. Grund dieser Maßnahme: Ende 2002 hatte die Internationale Schiffahrts-Organisation IMO auf Drängen der USA nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 den sogenannten ISPS-Code (International Ship and Port Facility Security Code) beschlossen.

Diese Maßnahmen greifen jetzt auf alle deutschen Häfen , sehr zum Leidwesen der anlaufenden Schiffe. Während der gesamten Liegezeit müssen alle Außentüren an Bord verschlossen und versiegelt werden, mit Ausnahme einer einzigen Tür die im Bereich der Gangway liegt. Darüber hinaus muss von der Schiffsbesatzung eine Türwache während der Liegezeit des Schiffes  gestellt werden, die die Namen der Schiffsbesucher mit Ankunft- und Abgangszeit auf einer Liste festhalten muss.

Über den Sinn oder Unsinn dieser Maßahmen kann man sich streiten. Von der Seeseite her war das Schiff total ungeschützt, - jede kleine Segel- oder Motoryacht, Barkasse oder anderes Fahrzeug hätte sich dem Schiff in „terroristischer Absicht“ ungehindert nähern können.

 


Die "Westwind" im Stettiner Hafen.

Die Besatzung bestand aus 9 Mann: Kapitän, 1. und 2. Offz., Chief , Koch und Decks- und Maschinenbesatzung. Der Chief kam aus Litauen und alle anderen aus Polen. Der Kapitän sprach ein ausgezeichnetes Deutsch, mit den anderen konnte man sich gut in Englisch verständigen. Alle Besatzungsmitglieder waren überaus freundlich und zuvorkommend.

Was mich wunderte, dass das Schiff zwar unter Antigua-Flagge fuhr, aber dennoch achtern als Heimathafen Hamburg stehen hatte.

Der „Bordmief“ kam mir sehr vertraut vor, ein wenig vom Öl aus dem Maschinenraum, ein wenig aus der Kombüse, dazu das leise Summen des Hilfsdiesel, - anscheinend hatte sich in 30 Jahren nicht viel verändert. Im Gegensatz zu früher, wo Kapitän, Ltd. Ing. und 1. Offizier im "Salon" speisten, die restlichen Offiziere in der Offz.-Messe, und Decks- und Maschinencrew in der Mannschaftsmesse die Mahlzeiten einnahmen, gab es auf diesem Schiff nur eine Offizier- und eine Mannschaftsmesse. Beide waren recht spartanisch, aber funktionell ausgestattet.

An Bord angekommen, teilte mir der Kapitän mit, dass Gdynia nicht angelaufen werde und das Schiff direkt nach Klaipeda und anschließend nach Stettin fahren würde.

Ein Umstand, der mir durchaus gelegen kam, weil mein Vater in Stettin geboren wurde und dort seine Jugendzeit verbrachte. Vielleicht konnte ich das Geburtshaus meines Vaters fotografieren ?

Beim Auslaufen des Schiffes aus dem Hamburger Hafen hielt ich mich natürlich auf der Brücke auf, in Erwartung eines „großen Bahnhofes“. Nichts dergleichen: Kein Hafenlotse, kein Elblotse, kein Schlepper !.

Aufgrund der Schiffsgröße und der guten Deutschkenntnisse des Kapitäns bestand auf der Fahrt auf der Elbe keine Lotsenpflicht. Dies galt übrigens auch für die Weser. Mit dem Bugstrahlruder kam das Schiff mühelos ohne Schlepperhilfe von der Pier frei.

Passieren von Blankenese und Willkommshöft, Einlaufen in die Brunsbütteler Schleusen, die NOK-Passage. All das ließen die Erinnerungen an frühere Seefahrtszeiten wieder wach werden, eine gewisse Wehmut war schon dabei.

Meine Kammer an Bord war klein, aber trotzdem für meine Bedürfnisse wie maßgeschneidert.

Beide, Kammer und Duschbad mit WC, waren in sauberem Zustand.

Zum „Funkbetrieb an Bord“:

Kommunikationsmittel Nr. 1 war bordeigene D1-Netz-Handy, das mit einem D-Netz-Faxgerät in einer Konsole auf der Brücke stand. Auf dem Peildeck war eine externe GSM-Netz-Antenne angebracht, die noch selbst einen guten Empfang brachte, wenn mein eigenes Handy in der Brückennock auf Netzsuche war. Nach meinem Kenntnisstand bestand von Auslaufen Hamburg bis Einlaufen in Klaipeda/Litauen eine ununterbrochene Verbindung über dieses Netz. Seefunkgespräche über UKW wurden nicht geführt, ausgenommen Revierfunk auf Kanal 16 oder den Arbeitskanälen. In einem kleinen separaten „Funkschapp“ auf der Brücke befand sich der GMDSS-Ausrüstungspflicht entsprechend ein Grenzwellen-Sender/Empfänger mit einem UKW-Gerät und dem DSC-Teil. Dazu war auf der Brücke noch ein Wachempfänger für 2182 kHz installiert.

Wetterberichte und Nautische Warnnachrichten? 

Auf der Brücke befand sich ein NAVTEX-Empfänger für 518 kHz im Mini-Format mit integriertem Thermo-Drucker. Der druckte laufend die WX und NX aus, - man brauchte nur noch die jeweilige Nachricht von der Rolle abreißen. Dem Alter des Schiffes entsprechend ( 20 Jahre) war die Navigation des Schiffes nicht auf dem allerneuesten Stand, d. h. es gab noch keine elektronischen Seekarten, sondern es lagen die Seekarten, wie wir sie noch von „unserer“ Seefahrtzeit kannten auf dem Kartentisch. Da das Schiff im Liniendienst fuhr, waren die Kurse mit den Kursänderungen schon auf den Karten eingezeichnet. Dieses Kurse mit den jeweiligen Distanzen wurden in den mit GPS gekoppelten Autopiloten eingegeben.


Kapitän und 1.Offz.auf der Brücke. Der "Joystick" ersetzt das Ruder.

Wurde diese Distanz mit der notwendigen Kursänderung erreicht, ertönte ein akkustisches Signal und der Wachhabende gab in den Autopiloten den neuen Kurs ein.

An der Hecksee verfolgte ich den eingehaltenen Kurs: Auch ein erfahrener Rudergänger hätte den Kurs nicht so exakt halten können, - die Hecksee sah aus wie vom Lineal gezogen.

Zur Navigationsunterstützung standen 2 Radargeräte zur Verfügung, mit einer Auflösung auf einem blendfreien Radarschirm, von der wir vor 30 Jahren nur träumen konnten.

Ein Ruder auf der Brücke im herkömmlichen Sinne gab es nicht mehr. Gefahren wurde das Schiff mit einem „Joystick“.

Die Ostseeüberfahrt verlief anfangs bei hervorragendem, warmen und sonnigen Wetter. Dann war es mit der Herrlichkeit vorbei. Wind aus West mit Stärke 8 - 10 ließ das Schiff bei backbord-achterlicher See erheblich rollen. Mein Notebook, das ich zur „Amateurfunkunterstützung“ an Bord mitführte, konnte ich gerade noch auffangen. Meine Befürchtung, nach 30 Jahren Pause wieder seekrank zu werden, erwiesen sich als grundlos. Meine Reisetabletten konnte ich also im Schrank lassen...

Leider verhinderte der Sturm das Einlaufen in Klaipeda und wir mussten ca. 3 Stunden vor der Hafeneinfahrt gegen den Sturm und Windrichtung dampfen. So liefen wir erst gegen 21.30 Uhr ein, mit einer Liegezeit von nur 3 Stunden. Also verzichtete ich auf den Landgang, weil es sich nicht gelohnt hätte. Schade, ich hätte mir das alte deutsche Memel gerne angesehen. Kleine Episode: In Klaipeda lag hinter uns an der Pier ein Containerschiff mit schwarzem Rumpf und knallgelben Aufbauten. Schiffsname: „Borussia Dortmund“. Sicherlich ein fußballbegeisterter Eigner.


Südwest 8-9 in der Ostsee

Der Sturm machte uns noch auf der Fahrt von Klaipeda nach Stettin zu schaffen, der Wind wehte immer noch aus West Stärke 9.
Allerdings ab Swinemünde während der Fahrt durch die alte „Kaiserfahrt“ ins Stettiner Haff und durch die Oder war vom Wind kaum etwas zu spüren. Übrigens, eine sehr schöne Revierfahrt bis Stettin. Auch die Stadt machte einen guten Eindruck, mit über 500.000 Einwohnern eine Kleinausgabe von Hamburg, meiner Meinung nach.

Wie ich eingangs schon erwähnte, ist mein Vater in Stettin geboren und wuchs dort als Sohn eines „kaiserl.-preuss. Zollamtsgehilfen“ im Hauptzollamt auf. Hier gab mir der Kapitän Hilfestellung, weil er wusste, dass dieses Gebäude heute immer noch das Hauptzollamt ist. So war das Gebäude nahe der Innenstadt leicht zu finden und ich konnte dann tatsächlich einige Aufnahmen machen.

 

Für  Amateurfunker ein paar Einzelheiten.

Vorab: Es war schön mal wieder in einer „Funkbude“ zu sitzen und von See nach Land zu funken... Übrigens, als eingefleischter "Tastfunker" arbeitete ich nur mit der Morsetaste, das Mikrophon hatte ich erst gar nicht mitgenommen.

Den Auflagen des Reeders entsprechend , brachte ich zusätzlich zum Transceiver, Netzteil, Stehwellenmessgerät als Antenne einen Vertikalstrahler für den portablen Betrieb mit.


 

"Funkbude" heute....

"Norddeich Radio meldet sich nicht mehr...."

Es handelte sich um ein australisches Modell, die „Outbacker Perth“. Auf dem Peildeck in ca. 22 m Höhe auf einem Federfuß und Kugelgelenk montiert, bewährte sie sich bei einer Länge von ca. 1,90 m im abgestimmten Zustand, ausgezeichnet. Der starke Sturm bog diese zierliche Antenne zwar zeitweise bis zu einen Winkel von ca. 45 Grad, was aber auf den Funkbetrieb überhaupt keine Auswirkungen hatte.

Die Erdung erfolgte in der Kammer, direkt am Rahmen des „Bulleyes“. (Fenster)

Anbringung der "Outbacker Perth" auf dem Peildeck.

 Die Antenne in ihrer ganzen Länge, ca 1.90 m, die sich sehr gut bewährte

Der Suffix „/MM“ hinter dem Rufzeichen hatte seine besondere Wirkung: Wenn ich mich auf den verschiedenen Bändern meldete, fielen die Funkstellen zeitweise regelrecht über mich her. Das war fast so, wie bei den „goldenen“ Norddeich Radio-Zeiten“ nach dem A1- oder A3-Sammelanruf...

Ich verzichtete bewusst auf das schnelle Abarbeiten von QSO’s (Pile Up) und hatte für jede Funkstelle ein paar persönliche Worte übrig. Als zusätzlichen Service übermittelte ich immer die aktuellste (GPS-) QTH nach alter Seemannsart in Länge und Breite. Erstaunlich die guten Rapports, die fast alle bei 589 - 599 lagen.

Dank auch an meine ehemaligen DAN-Kollegen Dietrich Brandt (DL1BHM) und Onno Heyen (DL4BCE), die mich vor der Reise mit Rat und Tat unterstützten.
 


Abendstimmung in der Ostsee

Die Rückreise erfolgte wieder über den NOK, Hamburg und in Bremerhaven stieg ich nach 7 Tagen wieder aus.

Ein schönes Erlebnis in bleibender Erinnerung, das ich gerne wiederholen möchte, - vielleicht sogar mit einer etwas längeren Reise.

Übrigens, - zur Nachahmung empfohlen !!

 

 

 
                                                     Noch Fragen ?