Die Urkunde
über die erfolgte Äquatortaufe wurde auf meinen künftigen
Seereisen neben dem Seefahrtsbuch und Reisepass zum wichtigsten
Dokument. Der Taufname hat heute durchaus seine Berechtigung...
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Wie schon erwähnt,
war ich so unvorsichtig an Bord von "Anna Katrin Fritzen" zu erzählen,
dass ich schon etliche Male ungetauft den Äquator passiert hatte.
So stand ich, ohne es zu ahnen, als Kandidat Nr. 1 auf der Liste
des Taufkomitees. Auf einer Reise von der Karibik nach Australien war es
dann soweit. Am Vorabend der Taufe entstieg Meergott Neptun mit seiner
Gemahlin Thetis dem Ozean und unterstellte das Schiff mit "Genehmigung
des Kapitäns" seiner Herrschaft.
Wir Kandidaten mussten bis
zum Taufakt "enthaltsam" leben, d. h. wir durften bis zur vollzogenen Taufe
nicht rauchen oder Alkohol trinken. Wer mit einer Flasche Bier erwischt
wurde, kam in Gewahrsam der "Bordpolizisten" , wurde zum Heck gebracht,
musste die Flasche Bier über Bord werfen, und mindestens 10 Minuten
"Auf Wiedersehen" rufen und der Bierflasche hinterher winken. Eine Stunde
vor der Taufe wurden wir bei glühender Sonne vorne in die Farblast
gesperrt. Ein schrecklicher, beißender Geruch von den Farben. Damit der
Geruch "neutralisiert" wurde, warf man alle 10 Minuten eine mit einem Nagel
durchbohrte Dose mit Duftspray in den engen Raum. "Fichtennadel" mit "Bootslack":
Eine gute Mischung !
Anschließend wurden wir,
mit Ketten zusammengebunden, dem Pastor vorgeführt. Der hielt eine
flammende Rede über das "verpfuschte Leben" des Täuflings
mit allen seinen Missetaten und empfahl dem Doktor eine Generaluntersuchung
des Täuflings. |
Hier wird
der Täufling durch die Polizisten dem Pastor
vorgeführt, der
die lange Liste seiner Missetaten vorliest. Man
beachte die devote Haltung
des Täuflings... Im Hintergrund
Neptun, der Gott der Meere mit seiner
Frau Thetis.
Der Lukendeckel muss verdammt heiß gewesen sein, Thetis
zieht gerade ihre Füße aus dem Wassereimer...
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"Doktor und Krankenschwester" packten den Patienten auf
den "Operationstisch" (Leiter) und banden ihn mit Ketten fest. Bei mir
wurde eine "starke Magenverstimmung mit extremen Mundgeruch" festgestellt.
Als Hilfsmittel wurde ein Trichter in den Mund geschoben und anschließend
die Medizin eingeführt. Die "Medizin" bestand aus Suppenresten, die
3 Tage lang in der Sonne warmgehalten wurde, verfaultem Fisch, Abwaschwasser,
angereichert mit Tabasco und Maggi. Es war klar, als der Trichter aus dem
Mund gezogen wurde, dass der Inhalt dieser ekligen Brühe in hohem
Bogen geopfert wurde. "Ah", meinte der Doktor stolz, "der Mundgeruch entweicht
schon".
Anschließend rasierte uns
der Barbier und wusch uns den Kopf. Im Shampoo und dem Rasierschaum muss
sich gelbe Farbe befunden haben, denn nach der Taufe hatte ich im Haar
unzählige gelbe Klumpen, die sich nicht auskämmen oder auswaschen
ließen. Mir blieb nichts anderes übrig, als meine Haare abschneiden
zu lassen und bis Australien mit Halbglatze herum zu laufen. |
Operationsvorbereitungen.
Hier beugt sich
gerade der Arzt mit seiner Krankenschwester
im "blutbespritzten
Kittel" über den Patienten,
der schon auf dem "Operationstisch", einer
Leiter, mit Ketten festgebunden ist. Dem
Patienten wird noch das Grinsen
vergehen...
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Den eigentlichen "Taufakt"
konnte man fast barbarisch nennen. Ich wurde solange im Schwimmbecken untergetaucht
und festgehalten, bis ich keine Luft mehr bekam. Als Zeichen, dass
ich nicht mehr konnte, hob ich eine Hand mit einem Finger in die Höhe.
Das deuteten die Bademeister als Zeichen, dass ich bereit war, 1 Kiste
Bier auszugeben. Das war entschieden zu wenig. Also wurde ich nach kurzem
Luftholen gnadenlos wieder untergetaucht. Das wiederholte sich dann noch
einige Male. Ich glaube, dass ich mindestens 6 Kisten Bier opfern
musste.
So, war die Äquatortaufe
damals.
Über den Sinn oder
Unsinn kann man heute geteilter Meinung sein. Für uns junge Leute
war es damals eine Selbstbestätigung
dafür, bis zu einem gewissen Grade die eigenen menschlichen Grenzen festzustellen. Ich weiß nicht, ob
in der Handelsschiffahrt oder in den Marinen der verschiedenen Nationen
dieser Brauch noch praktiziert
wird. Vielleicht kann mir ja jemand eine kleine E-Mail schicken und seine Erfahrung mitteilen, ich
würde mich darüber freuen.
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